Was sagt es uns über die psychische Gesundheit des Menschen, wenn wir eine Maus in ein Glas Wasser stecken?
Aktivist*innen in Neuseeland, die sich unter anderem diese Frage gestellt haben, wurden heute mit dem Lush Prize Preisgeld von 50.000 £ als bestes globales Projekt ausgezeichnet. Sie haben eine Aufsichtsbehörde davon überzeugt, Tierversuche zu verhindern.
Der Forced Swim Test ist ein “wissenschaftliches Verfahren”, bei dem kleine Tiere wie Ratten oder Mäuse gezwungen werden, in einem Glas mit Wasser zu schwimmen, bis sie “aufgeben” und nur noch an der Wasseroberfläche treiben. Die Theorie war, dass ein deprimiertes Nagetier schneller aufgeben würde als ein glückliches. Um das zu testen, wurden seit der Erfindung dieses Verfahrens im Jahr 1970 Tausende Mäuse mit Medikamenten behandelt oder sogar genetisch verändert, um Depressionen auszulösen, bevor sie ins Wasser gelassen wurden.
Es überrascht vielleicht nicht, dass Forscher*innen zunehmend skeptisch sind, ob dieser “Test” überhaupt noch einen Wert hat. Eine Analyse, die mit Daten von vier großen Pharmaunternehmen durchgeführt wurde, ergab, dass der Forced Swim Test keine signifikanten Ergebnisse im Hinblick darauf liefert, ob ein Wirkstoff ein wirksames Antidepressivum für den Menschen ist.
Die Juroren des Lush Prize waren beeindruckt von der Art und Weise, wie die neuseeländische Anti-Vivisection Society sich auf einen ganz offensichtlich fragwürdigen Test konzentriert hat, um eine allgemeinere Geschichte über die Probleme zu erzählen, die sich bei der Ableitung von Testergebnissen von Chemikalien und Medikamenten bei verschiedenen Tierarten auf den Menschen ergeben.,
Die Arbeit der Society veranlasste den neuseeländischen Sonderausschuss für wirtschaftliche Entwicklung, Wissenschaft und Innovation (20. Februar 2020) zu der Schlussfolgerung, dass der Test “weitgehend nutzlos” sei. Daraufhin haben die dortigen “Tierethikausschüsse” damit begonnen, Anträge auf Durchführung des Tests abzulehnen.
Rob Harrison, Direktor des Lush Prize, erklärte:
“Der Lush Prize wurde vor zehn Jahren ins Leben gerufen, um dazu beizutragen, dass alle Tierversuche abgeschafft werden, nicht zuletzt, weil sie immer wieder irreführende Ergebnisse bei der Lösung menschlicher Gesundheitsprobleme liefern. Die Arbeit der neuseeländischen Anti-Vivisection Society hat uns gezeigt, dass eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, darin bestehen kann, die Regierungen zu überzeugen, einen Test nach dem anderen abzulehnen. Sie haben großartige Arbeit geleistet, indem sie Student*innen und andere davon überzeugt haben, Petitionen zu unterzeichnen und die Öffentlichkeit auf die Kampagne aufmerksam zu machen.”
Im Rahmen des Lush Prizes 2022 wurden auch Wissenschaftler*innen in den USA, verdeckte Ermittler*innen in Spanien und junge Forscher*innen in Brasilien, den Niederlanden und Großbritannien ausgezeichnet. Auch Deutschland verzeichnet eine Gewinnerin.
Lush Prize Gewinner aus Deutschland:
Die NAT-Datenbank erhält Fördergeld in Höhe von 25.000 £
Gewinnerin Dr. Johanna Walter aus Köln ist Teil der gemeinnützigen Organisation Ärzte gegen Tierversuche, die ein gesetzliches Verbot von Tierversuchen nicht nur aus ethischen, sondern vor allem aus wissenschaftlichen Gründen anstrebt. Die Organisation liefert und verbreitet wissenschaftliche Informationen über die mangelnde Validität von Tierversuchen und fördert neuartige tierversuchsfreie Technologien, die auf eine humane und humanbasierte Forschung abzielen.
Das eingereichte Gewinner*innen-Projekt “NAT-Datenbank” (Non-Animal Technologies) wurde mit einem Fördergeld in Höhe von 25.000 £ ausgezeichnet. Es bietet einen einfachen Zugang zu tierversuchsfreien Ansätzen, enthält derzeit 1236 Einträge und wird laufend aktualisiert. Die NAT-Datenbank soll es Wissenschaftler*innen ermöglichen, tierversuchsfreie Methoden für ihre Forschung zu finden, und ist darüber hinaus eine Informationsquelle für Regulierungsbehörden, Politik und die breite Öffentlichkeit.
Wie haben Sie vom Lush Prize erfahren?
Wir verfolgen die Aktivitäten von Lush zur Unterstützung der tierversuchsfreien Forschung, die wir sehr schätzen.
Da der Hauptschwerpunkt unserer NGO die Förderung der tierversuchsfreien Forschung als Alternative zu Tierversuchen ist, haben wir uns bereits zuvor für den Lush Prize beworben.
Was bedeutet es für Sie, den Lush Prize zu gewinnen?
Wir sind sehr glücklich und stolz, dass die Bedeutung der NAT-Datenbank von der Lush Prize-Jury anerkannt wurde. Wir hoffen, dass der Lush Prize und die damit verbundene Medienberichterstattung unsere Datenbank weiter bekannt machen und Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, anderen Multiplikator*innen und der breiten Öffentlichkeit die Verfügbarkeit, Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit tierversuchsfreier Forschungsmethoden vor Augen führen wird.
Warum ist es wichtig, dass Tierversuche durch tierversuchsfreie Alternativen ersetzt werden?
Ärzte gegen Tierversuche strebt ein gesetzliches Verbot von Tierversuchen nicht nur aus ethischen, sondern vor allem aus wissenschaftlichen Gründen an. Die Ergebnisse von Tierversuchen lassen sich nicht auf die menschliche Umgebung übertragen. Hier sind die Unterschiede zwischen den Spezies der Hauptgrund für das Scheitern der tiergestützten biomedizinischen Forschung sowie die großen Defizite der sogenannten “Tiermodelle”. Dabei handelt es sich oft um eingeschlechtliche, junge und gesunde Tiere, die unter künstlich erzeugten Symptomen leiden. Diese repräsentieren die komplexe menschliche Krankheit nicht sinnvoll und spiegeln die Heterogenität der Patient*innen nicht wider. Das hat dramatische Folgen, denn Patient*innen warten vergeblich auf eine Heilung, schädliche Medikamente können in klinische Studien einfließen und die Teilnehmer*innen gefährden, während potenziell nützliche Medikamente auf der Grundlage ungültiger Ergebnisse von Tierversuchen aussortiert werden. Gleichzeitig kosten Tierversuche ein Vermögen, nicht nur in Form von Geld, sondern auch durch verschwendete Zeit und vergeudetes wissenschaftliches Potenzial, da unsere besten Forscher*innen ihre Karrieren immer noch damit verbringen, die falschen Modelle zu optimieren, anstatt sich auf die für den Menschen relevante Forschung zu konzentrieren.
Der Einsatz von tierversuchsfreien Technologien wird also nicht nur das Leben zahlloser Tiere retten, sondern auch den Fortschritt in der Medizin beschleunigen, der heute noch durch die schlechte Umsetzung von Tierversuchen behindert wird. Dies birgt die realistische Aussicht, menschliches Leid zu vermeiden, zu lindern und sogar zu heilen.
Was ist es, das Sie dazu bringt, sich leidenschaftlich gegen Tierversuche zu engagieren oder sich dafür einzusetzen, Tierversuche in der Wissenschaft zu ersetzen?
Neben den Tieren, die in Tierversuchen schrecklich und sinnlos leiden, ist es vor allem die Verantwortung für die Patient*innen und die Forderung nach einer nachhaltigeren und produktiveren biomedizinischen Forschung, die uns leidenschaftlich für die Abschaffung von Tierversuchen und die Förderung tierfreier Methoden kämpfen lässt.
Warum haben Sie sich an diesem Projekt beteiligt bzw. es ins Leben gerufen?
Es wurden unzählige tierversuchsfreie Technologien entwickelt, die das Potenzial haben, Tierversuche zu ersetzen und die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen, in denen sie beschrieben werden, wächst täglich. Die Suche nach solchen Methoden in herkömmlichen Datenbanken ist jedoch mühsam, denn trotz der riesigen Zahl entsprechender Veröffentlichungen gehen tierversuchsfreie Technologien immer noch in einer schwindelerregenden Zahl von Tierversuchen unter. Diese Schwierigkeiten haben dramatische Folgen: Wissenschaftler*innen können nur dann Methoden anwenden, wenn sie diese kennen und geeignete Protokolle finden können; Aufsichtsbehörden können Tierversuche nur dann aufgrund der Verfügbarkeit von tierversuchsfreien Methoden ablehnen, wenn sie diese Methoden kennen; Politiker*innen können nur dann davon überzeugt werden, sich für eine rasche Abschaffung von Tierversuchen einzusetzen, wenn sie die Vorteile der tierversuchsfreien Technologien kennen. Und die Bürger*innen werden nur dann den Übergang zu einer tierversuchsfreien Forschung fordern, wenn sie wissen, dass tierversuchsfreie Technologien einen sichereren Ersatz darstellen.
Trotz dieser Relevanz gab es bisher kein Tool, mit dem man gezielt nach tierversuchsfreien Technologien suchen konnte. Um diese Lücke zu schließen, haben wir die NAT-Datenbank entwickelt.
Was ist das Schönste an der Arbeit (an Ihrem Projekt)? Und was ist die größte Herausforderung?
Am lohnendsten ist es, zu sehen, wie die Zahl der Datenbankeinträge stetig wächst und spannende und vielseitige neue tierfreie Methoden kennenzulernen, die unser Wissen über menschliche Krankheiten erweitern und zur Entwicklung dringend benötigter Heilmittel beitragen können. Und natürlich ist das positive Feedback der Benutzer*innen die größte Belohnung für unsere Arbeit. Die größte Herausforderung ist die Auswahl der Einträge für die Datenbank aus der riesigen Menge innovativer tierfreier Technologien, die weltweit Tag für Tag entwickelt und veröffentlicht werden. Wir würden gerne noch viel mehr Einträge aufnehmen, müssen uns aber je nach unseren Kapazitäten auf eine bestimmte Anzahl konzentrieren.
Wofür werden Sie die Mittel des Lush Prize verwenden?
Wir werden die Mittel des Lush Prize für die weitere Entwicklung unserer NAT-Datenbank und für ihre Bekanntmachung unter Wissenschaftler*innen, Student*innen, Politiker*innen, Regulierungsbehörden und der breiten Öffentlichkeit verwenden. Die Erstellung von Datenbankeinträgen ist ein zeitaufwändiger Prozess. Dank der Finanzierung werden wir in der Lage sein, die Anzahl der Einträge zu erhöhen und damit das Wachstum der NAT-Datenbank zu beschleunigen.
Was steht als nächstes für Ihr Projekt an?
Unser Ziel ist es nicht nur, die Datenbank als Informationsquelle für Forscher*innen zu nutzen. Wir versuchen auch, die Datenbank innerhalb der Behörden zu fördern. Hier wird die NAT-Datenbank den Personen, die über die Genehmigung von Tierversuchen entscheiden, einen einfachen Zugang zu verfügbaren tierfreien Alternativen ermöglichen. Mit diesen Informationen könnten sie Tierversuche aufgrund mangelnder Unerlässlichkeit ablehnen. Zwar sind Forscher*innen grundsätzlich verpflichtet, nach geeigneten tierfreien Methoden zu suchen, die die beantragten Tierversuche ersetzen könnten, doch sehen viele von ihnen diese Anforderung eher als bürokratische Hürde, die durch die einfache Angabe, dass keine tierfreien Methoden verfügbar sind, überwunden werden kann. Schließlich kann die Datenbank nicht nur ihnen und den Behörden helfen, ihre Arbeit verantwortungsvoller zu erledigen. Es wäre immens hilfreich, wenn die Nutzung der NAT-Datenbank und ein entsprechender Bericht über die Ergebnisse der NAT-Datenbankrecherche zu einem obligatorischen Bestandteil von Tierversuchsanträgen würde.
Derzeit arbeiten wir daran, indem wir Erklärungen bei den für die Genehmigung von Tierversuchen zuständigen Behörden einreichen.
Als nächsten Schritt planen wir, Methoden aus der MPS (Micro-physiological systems) World Summit Series in die NAT-Datenbank aufzunehmen. Diese Konferenzreihe ist eine unglaubliche Quelle für die innovativsten humanbasierten Technologien weltweit. Allein auf der Grundlage der Konferenzbeiträge können Hunderte von Einträgen erstellt werden.
Wie kann man sich beteiligen/mehr erfahren?
Die NAT-Datenbank ist kostenlos und für jeden zugänglich. Um auch Nicht-Fachleuten einen fundierten Einblick in tierversuchsfreie Methoden zu ermöglichen, sind die Einträge in einer leicht verständlichen Sprache verfasst, die Fachbegriffe vermeidet. Jeder ist herzlich eingeladen, die NAT-Datenbank zu nutzen und sie zu verbreiten.
Wissenschaftler*innen sind herzlich eingeladen, uns ihre Publikationen zur Aufnahme in die NAT-Datenbank zuzusenden, solange sie unseren Standards entsprechen, d.h. wenn die beschriebene Methode keine Tiere, tierischen Organe und tierischen Zellen, einschließlich von Tieren abgeleiteter Zelllinien, enthält. Sie könnten uns damit helfen, die NAT-Datenbank zu erweitern und auch ihre eigene tierfreie Forschung zu fördern.
Wissenschaftler*innen und Nicht-Wissenschaftler*innen, die am Übergang von der tierverbrauchenden Forschung zu einer auf den Menschen ausgerichteten Wissenschaft mitwirken möchten, sind herzlich eingeladen, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Jeder ist willkommen, Mitglied bei Ärzte gegen Tierversuche zu werden und sich z.B. durch aktive Teilnahme an unseren Regionalgruppen einzubringen.
Weitere Informationen über die diesjährigen Gewinner*innen und den Preis im Allgemeinen finden Sie unter www.lushprize.org
PRESSEANFRAGEN
Hinweise für Redakteure
1. Weitere Informationen über die Kampagne der New Zealand Anti-Vivisection Society (NZAVS) finden Sie unter https://www.nzavs.org.nz/forced-swim-test.
Der Lush Prize wurde 2012 in Großbritannien mit dem Ziel gegründet, den Tag, an dem keine weiteren Tests zur Produktsicherheit an Tieren mehr erforderlich sind, schneller voranzutreiben.
Es handelt sich um eine Zusammenarbeit zwischen dem Kosmetikunternehmen Lush und der Forschungsgruppe Ethical Consumer, die sich gegen Tierversuche einsetzt.
Das mit 250.000 £ dotierte Fördergeld ist der höchste Preis im Bereich der tierversuchsfreien Produkte und die einzige Auszeichnung, die sich ausschließlich auf den vollständigen Ersatz von Tierversuchen konzentriert.
Der Lush Prize wurde 2012 im Vereinigten Königreich mit dem Ziel gegründet, die Forschung voranzutreiben, damit keine weiteren Tests an Tieren zur Produktsicherheit erforderlich sind. Es handelt sich um eine Zusammenarbeit zwischen dem Kosmetikunternehmen Lush und der Forschungsgruppe Ethical Consumer, die sich gegen Tierversuche einsetzt. Der mit 250.000 Pfund dotierte Preis ist der höchste Preis im Bereich der tierversuchsfreien Forschung und die einzige Auszeichnung, die sich ausschließlich auf den vollständigen Ersatz von Tierversuchen konzentriert. Der Preis wird dieses Jahr bereits zum zehnten Mal verliehen.
Die Preiskategorien:
- Public Awareness: Sensibilisierung der Öffentlichkeit für laufende Tests an Tieren
- Science: für die Entwicklung alternative Testmethoden ohne Tierversuche
- Training: Ausbildung von Forscher*innen in tierversuchsfreien Testmethoden
- Lobbying: politische Maßnahmen zur Förderung des Einsatzes von alternativen Tests
- Young Researcher: für Personen unter 35 Jahren, die sich auf die Forschung, die ohne Tests an Tieren auskommt, spezialisiert haben
Die Ethical Consumer Research Association ist eine gemeinnützige Forschungskooperative, die sich auf unabhängige Forschung in den Bereichen Soziales, Tierschutz und Umwelt spezialisiert hat.
Lush erfindet, produziert und vertreibt frische, handgemachte Kosmetik. Als Kosmetikunternehmen mit einem Herz für Campaigning setzt sich Lush leidenschaftlich für direkte Aktionen ein und nutzt seine Läden auf der ganzen Welt als Plattform, um Licht auf wenig bekannte soziale und ökologische Missstände zu werfen. Der Lush Prize ist ein Beitrag zu einer breiter gefächerten Kampagne im Kampf gegen Tierversuche. Neben dem Lush Prize vergibt Lush auch den Lush Spring Prize zur Entwicklung regenerativer Projekte und fördert ebenso lokale Projekte durch den gemeinnützigen Charity Pot.
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